SCHNELL JETZT, SONST wird es knapp. Wenn Issaka Zongo nicht auf- passt, dann werden die anderen viel- leicht ersticken. Issaka wedelt mit einem großen Stück Plastikplane durch die Luft, das von einem leeren Reissack stammt. Vor ihm ist ein großes Loch. Der Eingang in den Stollen. Dreißig Meter geht es senkrecht hinunter in die Tiefe. Dort unten ist es dunkel, und der Sauer- stoff ist schnell verbraucht. Also muss Issaka Luft nach unten blasen, irgend- wie. Issaka ist erst zehn Jahre alt, aber schon Teil eines Goldsuchertrupps, der hier im Osten von Burkina Faso nur ein Ziel hat: reich werden. Und zwar schnell. „Los, ihr könnt jetzt ziehen!“, ruft es plötzlich aus dem Erdloch nach oben. Sofort fangen zwei weitere Jungen an zu kurbeln. Die Eisenstange, die sie zur Kur- bel zusammengeschweißt haben, dreht sich und wickelt das dicke braune Seil um sich herum – solange, bis ein Eimer Sand nach oben kommt. So hat jeder seine Aufgabe: Der Kleins - te fächert lebensnotwendige Luft, die an- deren graben sich durch den Stollen, die nächsten verladen den Sand und liefern ihn am Waschplatz ab. Jetzt muss ja noch das edle Metall herausgewaschen wer- den. Lehmbrocken und Steine alleine sind gar nichts wert „Es ist eine richtige kleine Industrie hier,“ sagt auch Jacob Lompo. Der katholische Priester kennt die Region, er besucht die Goldsucher regelmäßig und versucht, ihnen beizu- stehen. Und das, was er hört und sieht, lässt ihn manchmal verzweifeln. „Wir er- leben hier eine Hölle unter freiem Him- mel.“ Samuel Bougouma ist 27. Vor etwas mehr als einem Jahr hörte er in seinem Heimatdorf zum ersten Mal: „Geh nach Pama. Dort gibt es Gold. Dann wirst du reich.“ Doch er wollte sichergehen. Mit einigen Freunden erkundete er die Ge- gend. Manche hatten Wünschelruten und Metalldetektoren in den Händen. Am Ende entschieden sie: Ja, das kann etwas werden. Wir versuchen es. Mit bloßen Händen und einfachen Schaufeln fingen sie an zu graben. Heu- te ist Samuel Bougouma Chef einer „Equipe“, wie er es nennt. Acht weitere Jungen arbeiten für ihn. „Was bleibt uns übrig,“ sagt Samuel Bougouma. „Wir müssen eben hart arbeiten, wenn es sonst kein Leben gibt.“ Es herrschen Gewalt, Gier und Ausbeutung Er hat mit seinen Leuten eine einfache Regelung getroffen: Von fünf Säcken Sand, die sie aus der Erde herausziehen, behält er zwei für sich selbst. Die ande- ren drei Sandsäcke dürfen sich seine Ar- beiter teilen und ihren Inhalt verkaufen. Geld gibt er ihnen keines. „Aber ich zahle das Essen für sie.“ JACOB LOMPO: „Vor unseren Augen spielt sich dieses Drama ab. Wir erle- ben eine Hölle unter freiem Himmel.“ 16 | missio 3/2017