die NGO hervorging. Die Gruppe traf sich von montags bis freitags zwischen 13 und 15 Uhr, in der zweistündigen Mittags- pause, um über ein aktuelles politisches oder soziales Thema zu diskutieren. „Nach einer Woche kamen bereits um die 250 Menschen. Der Debattierzirkel war ein Ventil für die Studenten“, erin- nert sich Serges Bayala, einer der Grün- der und Mitglied von Balai citoyen. Die Zahl nahm schnell zu und beunruhigte die Universitätsverwaltung. Bald musste die Gruppe, die sich anfangs in der Mensa getroffen hatte, ins Freie umzie- hen. Das tat ihrem Zulauf aber keinen Abbruch. Die Universitätsleitung mach - te keinen Hehl aus ihrer Angst, auf dem Campus könne eine politische Vereini- gung entstehen – was laut Bayala genau das Ziel des Zwei-Stunden-Zirkels war: „Die Studenten waren an der aktuellen Diskussion interessiert, und es galt, ei- nen Weg zu finden, um sie für den poli- tischen Kampf zu gewinnen.“ Aufstand begann an den Universitäten Auch an anderen Universitäten des Lan- des formierte sich Widerstand, ebenso wie in zahlreichen NGOs, die von jun- gen Leuten gegründet oder getragen wurden. Es entstand eine neue Genera- tion zivilgesellschaftlicher Organisatio- nen, die vorher vor allem in Gewerk- schaften bestanden hatten. Balai citoyen richtete Clubs in vielen Stadtvierteln und auch in kleineren Städten Burkina Fasos ein. Nach dem Beschluss im Oktober 2014, den Protest auf die Straße zu tragen und am Tag der Abstimmung über die Verfassungsände- rung vor der Nationalversammlung zu demonstrieren, zogen Mobilisierungs- karawanen durch die Straßen Ouaga- dougous. Mitglieder von Mouvement Brassard Noir und anderen Organisatio- nen suchten zudem Abgeordnete zu Hause auf und riefen sie dazu auf, dem Gesetz nicht zuzustimmen und „das Volk nicht zu verraten“. In Bobo-Dioulasso, der zweitgrößten Stadt des Landes, gab es auch eine aktive NGO-Szene. Neben Balai citoyen spielte Ligue des jeunes dort eine große Rolle. IM VORDERGRUND REVOLUTION Zum Erfolg der Bewegung trug bei, dass die NGO-Szene sich erfolgreich mit dem Bündnis politischer oppositioneller Parteien CFOP verbündet hat. Während die zivilgesellschaftlichen Organisatio- nen die Bürger mobilisierten, organi- sierte CFOP große Versammlungen, an denen Politiker und NGO-Vertreter teil- nahmen. Die erste fand am 29. Juni 2013 statt, und dort hatte auch Balai citoyen seinen ersten Auftritt. Als CFOP-Chef Zéphirin Diabré in seiner Rede am 28. Oktober auf dem Platz der Revolution das Ende der Versammlung ausrief, pro- Mangel an Arbeitsplätzen, einen der Hauptgründe des Volksaufstands, zeich- nen sich auch unter der neuen Regierung keine nachhaltigen Lösungen ab. Straflo- sigkeit ist nach wie vor ein Problem, ebenso die politische Einflussnahme auf die öffentliche Verwaltung und die clan- artige Verteilung von Macht. Einige der NGOs, die am Aufstand 2014 maßgeblich beteiligt waren, kämpfen daher weiter: für einen wirklichen Wandel und wahre Demokratie. Balai citoyen und acht weitere Organisationen haben sich zur Coalition Ditanyè zusammenge- Spuren des Aufstandes: Bis heute stehen ausgebrannte Autos vor dem zerstörten Parlamentsgebäude in Ouagadougou, Burkina Faso. testierte die Menge. Sie wollte weiterma- chen bis zum Sieg. „Der Kampf gehört dem Volk, und das Volk kann damit ma- chen, was es will“, gab Diabré zurück. In der Nacht kam es zu Straßenschlachten. Der Sturz des Campaoré-Regimes ist der Triumph der Jugend. Ihre Idole sind Thomas Sankara und der Journalist Nor- bert Zongo, dessen Ermordung aus poli- tischen Gründen 1998 zu einem Zusam- menschluss von Gewerkschaften und po- litischer Opposition führte. Serges Bayala erhielt – neben anderen Gallionsfiguren des Aufstands – von der Übergangsregierung einen Orden für seine Verdienste. Seit Ende 2015 amtiert Präsident Roch Marc Kaboré, der Teilen der ehemaligen Widerstandsbewegung nahesteht. Er setzte sich gegen CFOP- Chef Zéphirin Diabré durch. Die Probleme des Landes sind damit jedoch nicht gelöst. Vor allem für den schlossen, die nach der Nationalhymne benannt ist. Zwei Jahre nach dem Volks- aufstand, im Oktober 2016, erklärte die - se: „Der Kampf fängt gerade erst an.“ A Boukari Ouoba ist Journalist bei der burkinischen Zeitung „Mutations“ und Generalsekretär des Journalistenverbandes von Burkina Faso (AJB). Dieser Text erschien zuerst in der Zeitschrift „E+Z Entwicklung und Zusam men - arbeit“, Ausgabe 01-02/2017. missio 5/2017 | 23