STICHWORT BURKINA FASO KARDINAL PHILIPPE OUÉDRAOGO, 71: „Frieden ist ohne Zweifel ein Geschenk Gottes - aber auch die Frucht mensch - licher Arbeit.“ ZUR LAGE IN BURKINA FASO „Der Zug ist wieder auf dem richtigen Gleis“, sagt Kardinal Philippe Ouédraogo aus Burkina Faso, „auch wenn es immer wieder ein paar Turbulenzen gibt.“ Als Erzbischof der Hauptstadt Ouagadougou hat er miterlebt, wie es im Herbst 2014 zum Sturz des langjährigen Machthabers Blaise Compaoré kam. Der seit 1987 regierende Präsident wollte ein weiteres Mal seine Amtszeit verlängern – doch der Protest aus dem Volk wurde zu stark. Compaoré musste zurücktreten. Ein Militärputsch, mit dem einige Getreue von Blaise Compaoré im September 2015 den Umsturz rückgängig machen wollten, misslang. Neben Nachbarländern wie Benin und Senegal spielten dabei auch die Oberhäupter der Katholiken, Protestanten und Muslime eine wichtige Rolle als Verhandlungspartner, die von allen politischen Lagern anerkannt wurden. Kardinal Philippe Ouédraogo saß mit am Verhandlungstisch. In diesem Gastbeitrag schildert er, was er in den Tagen des Umsturzes erlebte. 8 | missio 5/2017 Friedensstifter Im Zentrum dieses Dialoges befinden sich die jeweiligen Religionsführer – als Vorbilder, als Maßstab für die Gläubigen. Besonders dann, wenn es zu Krisen im Land kommt. Sie können dann an ihre Gläubigen appellieren und sie ermuti- gen, den Frieden im Land zu bewahren – durch das Gebet und durch konkretes Handeln. Im Verlauf der beiden großen Krisen, die unser Land in den vergangenen Jah- ren erschüttert haben, hat sich das be- sonders gezeigt. Ich meine den Volks- aufstand vom Oktober 2014 und den ver- eitelten Militärputsch vom September 2015. Damals versammelte der traditio- nelle König der Mossi, der Moogho Naaba, drei Religionsführer um sich: den protestantischen Pastor Samuel Ya- meogo, den muslimischen Imam Adama Sakande und mich selbst als Vertreter der katholischen Kirche. Dieser Kreis spielte eine große Rolle als Vermittler während der vielen Konflikte in unserem Land – ob auf politischer, sozialer oder sogar militärischer Ebene. IN AFRIKA, wie auch im Rest der Welt, wird Religion oft missbraucht, manipuliert und für andere Zwecke ein- gespannt. Der Preis dafür ist Gewalt, Krieg und die Herrschaft des Terrors. Vor diesem Hintergrund haben alle Gläubigen, vor allem aber ihre Anführer, eine große Verantwortung. Sie müssen zeigen, dass Religionen kein Störfaktor für den Frieden sind, sondern dass sie die Kraft und den Schlüssel zum Frieden in sich tragen und ein gutes Zusammen- leben zwischen den Menschen ermögli- chen können. Weil die radikalen Ausprä- gungen der Religion immer mehr an Zu- wachs gewinnen, ist ein Dialog zwischen den Religionen, der als Ziel den Frieden zwischen den Völkern anstrebt, so wich- tig wie nie zuvor. Diese Erfahrungen des interreligiösen Dialogs kennen und erleben wir in Bur- kina Faso, im Herzen von Westafrika. In unserem Land hat das friedliche Zusam- menleben der verschiedenen Religions- gemeinschaften eine lange Tradition. In einer Region, die mehr und mehr von Krisen geplagt wird, ist Burkina Faso da- mit eine Ausnahme, ein schönes Beispiel für religiöse Vielfalt und Toleranz. Mus- lime, Christen und Animisten leben zu- sammen, sie sind Nachbarn und heiraten untereinander. In meiner eigenen Fami- lie gibt es Christen und Muslime, das ist völlig normal. Dialog und Austausch finden auf vielen Ebenen statt. Ihr Ziel ist immer der Zusammenhalt der Gesellschaft und nicht die Vorherrschaft einer Religion über die anderen. Das Wohl unserer Na- tion steht über allem, und deshalb sehen sich die Religionen als Werkzeug im Dienst des Friedens, des Zusammenle- bens und der Versöhnung.