BLICKWECHSEL ITALIEN Cécile Beloum setzt sich für Frauenrechte und Gleichberechtigung in ihrer Heimat Burkina Faso ein. Cesare Zucconi und die Gemeinschaft Sant’Egidio sind Vermittler des Friedens, wo alle Hoffnung verloren scheint: zwei Menschen, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, Gesellschaften zum Besseren zu verändern. ER MUSS GANZ BE- SONDERS gewesen sein, jener Geist der 60er Jahre. Und viel- leicht hat er Trastevere in beson- derer Weise durchzogen. Traste- vere, jenes Viertel Roms, in dem auch schon damals die Straßen voller Leben, gesäumt von Bars und Restaurants waren, voll von jungen Menschen. Und in dem es eine kleine Kirche, dem Heiligen Ägidius geweiht, gab, in der sich eine Handvoll Schüler allabend- lich zum Gebet traf, nachdem sie nachmittags in die damaligen Barackenvierteln der Stadt ge- gangen war, um den Kindern dort zu helfen. „Es war der fri- sche Wind des Konzils, den wir atmeten. Wahrscheinlich hätte Sant’Egidio an keinem anderen Ort der Welt entstehen können. Es musste Rom sein“, sagt Ce- sare Zucconi. Cesare Zucconi (55) Generalsekretär der Gemeinschaft Sant’Egidio. Der 55-Jährige ist 1979, elf Jahre nach ihrer Gründung, zur Gemeinschaft Sant’Egidio gesto- ßen. Heute ist der Diplomaten- sohn, der sein Abitur an der deutschen Schule in Rom gemacht hat und immer noch fließend Deutsch spricht, Generalsekretär der katholischen Bewegung. Sie hat mittlerweile rund 60 000 Mitglieder und ist in vier Kontinenten aktiv. Die „persönliche Freundschaft mit den Armen“, wie Cesare Zucconi sie nennt, ist nach wie vor entscheidend für die Gemeinschaft. Die Herausforderungen sind allerdings wesentlich andere und größere geworden, weit über die Stadt Rom hinaus: „Als wir hier anfingen, waren die Ausländer in Rom die Sizilianer. Sie lebten in den Barackenvierteln, die Kinder gingen unregel- mäßig zur Schule und es fehlte an allem. Heute sehen wir, wie das Mittelmeer zum Grab für die Menschen wird, die bei uns in Europa Schutz und Hoffnung suchen“, sagt er. Wohin man auch schaue, sagt der Politik- und Geschichtswissenschaftler, der Krieg sei der Vater allen Elends. Den Frieden zu vermitteln ist daher auch das, woran sich Sant’Egidio immer wieder und mit langem Atem versucht. Mit der „Methode Sant’Egidio“ sind Friedensschlüsse in Ländern zustande gekommen, in denen sämtliche Hoffnung auf Eini- gung verloren schien. Etwa in den 90er Jahren in Mosambik: In dem schlichten Raum unweit der Kirche Sant’Egidio, in dem Cesare Zucconi heute Besucher empfängt, unterschrieben 1992 mosambikanische Regierung und Rebellen den Friedensver- trag – der wohl berühmteste diplomatische Drahtseilakt, den Sant’Egidio über Jahre vor- bereitet und schließlich zum Erfolg geführt hatte. liegt Worin besteht sie also, die Methode Sant’Egidio? „Kardi- nal Kasper hat einmal über uns gesagt: Ihr seid Mystiker mit of- fenen Augen“, sagt Cesare Zuc- coni. „Wie heißt es doch: Ein Christ soll die Bibel in der ei- nen, die Zeitung in der anderen Hand tragen! Ich denke, unser Geheimnis in unserer Treue zum Evangelium. Sie liegt allem zugrunde, was wir tun.“ Mit jährlichen Weltfriedenstref- fen versucht die Gemeinschaft eine Plattform für Lösungen an- gesichts der großen Herausforderungen unserer Zeit zu bieten. Vom 10. bis 12. Septem- ber dieses Jahres treffen sich 450 offizielle Gäste – Verantwor- tungsträger aus den großen Religionen, Politiker und Kultur- schaffende – in Münster und Osnabrück, um darüber nachzu- denken, wie friedliche Lösungen gefunden werden können an- gesichts von Terrorismus, Kriegen, Migration und der Heraus- forderung der Integration. Aber es ist kein geschlossener Zirkel von Experten und Berufspolitikern, der da zusammenkommt: Das Treffen ist von der Einladung an Vertretern der Weltreli- gionen durch Papst Johannes Paul II. 1986 nach Assisi inspiriert. Es richtet sich an alle, besonders an junge Menschen. „Diese Offenheit, das ist der Geist von Assisi. Und der von Sant’Egi- dio“, sagt Cesare Zucconi. A BARBARA BRUSTLEIN PERSÖNLICHE FREUNDSCHAFT MIT DEN ARMEN missio 5/2017 | 25