Respektsperson: Kardinal Philippe Ouédraogo (M.) spielte eine wichtige Rolle als Vermittler während der Unruhen in Burkina Faso. Als sich die Ereignisse überschlugen und die Proteste im Volk gegen die am- tierende Regierung von Blaise Com- paoré immer lauter wurden, haben wir Religionsführer alles versucht – sowohl gemeinsam als auch jeder in seiner eige- nen Gemeinde – damit unser Land nicht ins totale Chaos abstürzte. Wir haben immer wieder an alle Beteiligten appel- liert, dass sie den Frieden wahren müs- sen und das Land nicht auseinanderbre- chen darf. Mit einer gemeinsa- men Stimme riefen wir die ein- zelnen Religionsgemeinschaften auf, für den Frieden zu beten und das Gespenst des Bürgerkrieges abzuwehren. Wir sind an der Seite der Aufständi- schen geblieben und haben ihren Protest gegen Machtmissbrauch, Korruption in der Regierung und gegen die Armut im Land unterstützt. Und wir haben „Ja“ ge- sagt zu einer besseren Zukunft für unser Land Burkina Faso. Die religiösen und traditionellen Autoritäten sind treu zu den Werten gestanden, auf denen sich unsere Nation gründet: Die Einheit des Landes, den Zusammenhalt der Men- schen und den Sinn für das Gemeinwohl. Weil wir uns durch unser Handeln das Vertrauen der Menschen und der politi- schen Parteien erworben hatten, berief uns der Präsident der Übergangsregie- rung, Michel Kafando, als „Rat der Wei- sen“ in sein Beratergremium. Als dann im September 2015 einige Teile des Militärs einen Staatsstreich un- ternahmen und die Machtverhältnisse wieder zurechtrücken wollten, gerieten wir geistlichen Autoritäten noch tiefer in g n i l h t ö B g r ö J : s o t o F den Strudel der Ereignisse. Die Über- gangsregierung, die nach dem Rücktritt von Blaise Compaoré die Geschäfte über- nommen hatte, war nicht mehr hand- lungsfähig. Also mussten die Militärs überzeugt werden, dass sie von ihrem Plan abrück- Frieden ist ohne Zweifel ein Ge- schenk Gottes – aber auch die Frucht menschlicher Arbeit. Dieser Verhand- lungserfolg ist ein Beispiel dafür, dass Konfliktparteien aus Politik und Militär den religiösen Verhandlungspartnern Respekt zollen und ihnen durchaus zu- „Religionen müssen zeigen, dass sie den Schlüssel zum Frieden in sich tragen.“ ten, die Macht dauerhaft an sich zu rei- ßen. Wir mussten sie überreden, dass sie der Übergangsregierung das Ruder wie- der zurückgeben. Aber diese Mission er- schien zunächst fast aussichtslos ange- sichts der starken Position, in der sich die Putschisten befanden. Das änderte sich, als die burkinische Armee Verstärkung von Soldaten aus dem Landesinneren erhielt und die Gar- nison angriff, in der sich die Putschisten verschanzt hatten. Der Anführer der Put- schisten, General Diendéré, floh jetzt und suchte Zuflucht ausgerechnet in der apostolischen Nuntiatur, dem Sitz des vatikanischen Botschafters in Burkina Faso. Jetzt war es unsere Aufgabe, die Auslieferung des Generals auszuhan- deln. Er sollte sich ergeben, und dafür im Gegenzug am Leben bleiben und einen fairen Prozess erhalten. Das gelang mit der Hilfe des früheren Präsidenten unseres Landes, Jean-Bapti- ste Ouédraogo, sowie des Botschafters der USA, des apostolischen Nuntius und mir als Erzbischof von Ouagadougou. hören. Für uns, die wir an Gott glauben, ist das ein Zeichen, dass unsere Gebete erhört wurden. Durch die gegenseitige Unterstützung der verschiedenen Religi- onsgemeinschaften haben wir diese bei- den großen Krisen überstanden. Der Weg war gebahnt für freie Wahlen, deren Er- gebnis von allen anerkannt wurde. Der Zug ist jetzt wieder auf dem richtigen Gleis – auch wenn es immer wieder ein paar Turbulenzen gibt. A Der Beitrag wurde redaktionell bearbeitet und gekürzt. j IHRE MEINUNG INTERESSIERT UNS! Auch die Vereinten Nationen wollen religiöse Oberhäupter stärker einbeziehen, um Krisen und Konflikte beizulegen. Halten Sie das für sinnvoll? Wenn Sie möchten, schreiben Sie uns! missio Redaktion „missio magazin“ Pettenkoferstraße 26-28, 80336 München redaktion@missio.de missio 5/2017 | 9