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mm_ebooks_06_2017

seine Aufgabe als Koordininator des On- line-Studienprogramms ab, mit dem der Flüchtlingsdienst jungen Menschen eine Chance gibt, einen Studienabschluss zu erwerben. Der 27-jährige Aimé B. ist ei- ner der Teilnehmer. Der junge Mann mit dem klugen Augen ist eigentlich Apothe- ker und hatte im Juni 2015 in der Haupt- stadt Bujumbura an einer Demonstration gegen die Menschenrechtsverletzungen in seinem Heimatland teilgenommen. Die brutale Antwort des Regimes gegen poli- tische Aktivisten und Studenten ging da- mals durch die Medien. Aimé hat sie am eigenen Leib erfahren und fürchtet auch hier in Kakuma den langen Arm des Re- gimes. „Manchmal fällt es mir schwer, zu den Online-Kursen zu kommen, denn eigent- lich habe ich ja einen Abschluss. Nur nützt er mir hier nichts, weil er in Kenia nicht anerkannt ist“, sagt er. „Ich versuche aber, mich zu motivieren. Denn das wich- tigste für mich ist aber, meine Zeit ir- gendwie sinnvoll zu verbringen, sonst werde ich verrückt.“ Die Herausforderungen sind immens, das sagt auch Yves René Shema: „Wirkli- che Perspektiven zu vermitteln ist nicht einfach, solange die Flüchtlinge keine Ar- beitserlaubnis erhalten“, sagt er: „Aber dennoch: Immer wieder schaffen es un- sere Studenten, irgendwo wirklich Fuß zu fassen. Das gibt den anderen dann Mut und Hoffnung, weiterzumachen. Auch hier, an diesem vergessenen Ort.“ Vielleicht wird auch Marc diesen Weg gehen? Der Bus hat ihn wieder hierher den Neuankömmlingen das Gespräch zu suchen. Woher kommen sie, was haben sie erfahren? Und vor allem: Wie geht das Leben hier weiter? Das Gespräch läuft stockend an. Dann, unvermittelt, ergreift ein alter Mann das Wort. Mit lauter Stimme schildert er, dass er aus der Re- gion Wau komme. Er habe durchgehalten solange es ging, habe mehrfach bei Ver- wandten Unterschlupf gesucht. Nun sehe er keine Hoffnung mehr und sei gegan- gen. Dann fangen auch die Frauen zu sprechen an, erst leise, dann aber voller Wut und Verzweiflung. Die Mitarbeiter der Jesuiten brechen das Gespräch ab. Je- der hier wird Einzelgespräche brauchen, um das Erlebte auszudrücken und viel- leicht verarbeiten zu können. Die 24-jährige Monica Atieh bietet solche therapeutischen Gespräche an. Sie selbst ist als Kind südsudanesischer Eltern im Flüchtlingslager geboren und damit sogar länger hier als der durch- schnittliche Einwohner von Kakuma: 17 Jahre bleibt ein Mensch im Durchschnitt im Lager, haben die Vereinten Nationen ausgewertet. Monika hat beim Jesuiten- Flüchtlingsdienst eine Ausbildung zur Traumatherapeutin absolviert. „Ich weiß, wovon ich rede“, sagt sie. Als sie gerade erwachsen war, wurde sie in den Südsu- dan verheiratet. „Es ging gar nicht gut“, sagt sie. Sie kam zurück ins Lager, auf ei- gene Faust und schwanger. Nun hilft sie denen, die Tag für Tag ein- treffen, in Worte zu fassen, wie es ihnen geht. „Hier ist ein geschützter Raum, um sprechen zu können“, sagt sie. „Das ist un- glaublich wichtig, denn über Kakuma liegt Schweigen. Die Leute hier erzählen sich nicht gegenseitig, was ihnen passiert ist. Bei mir öffnen sie sich auch erst, wenn sie überzeugt sind, dass die Schweige- pflicht, der ich unterliege, kein leeres Ver- sprechen ist.“ Kakuma liegt zwar im Nir- gendwo, aber Seilschaften verbinden es mit der gewalttätigen Heimat. Das gilt ganz besonders auch für die Flüchtlinge aus der Region der großen Seen, aus Ruanda, Burundi oder dem Kongo. „Viele leben in ständiger Angst, aufgespürt zu werden“, sagt Yves René Shema. Der junge Mann schließt gerade Salesianer bieten in Kakuma handwerkliche Ausbildung und Nähkurse an, der Jesuitenflüchtlingsdienst ein Online-Studium. YVES RENÉ SHEMA: „Immer wieder schaf- fen es unsere Studen- ten, irgendwo Fuß zu fassen. Das gibt den anderen Mut.“ 20 | missio 6/2017

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