BLICKWECHSEL TESTAMENT Der letzte Wille WIE PLÖTZLICH der Tod kommen kann, hat Maria W. vor zwei Jahren selbst erlebt. Von einem Tag auf den anderen ging es ihrem Bruder gesund- heitlich schlecht. Als er vom Arzt zurückkehrte, sagte er zu ihr: „Da ist etwas in mir, was da nicht hingehört.“ Wenige Monate später starb Maria W.’s Bruder Hans, der be- liebte Pfarrer, an Bauchspeichel- drüsenkrebs. Für Maria W., die ihren Bruder 60 Jahre lang als Pfarramtshelferin unterstützte, mit ihm Haus und Haushalt teil te, änderte sich das Leben schlag artig. Sie musste Abschied nehmen und anfangen, Dinge auszusortieren. Akten, Bücher, Kleidung. Was kann weg? Was ist noch wichtig? Sie musste Ent- scheidungen treffen und lernen alleine zu sein. Maria W. (84) Dabei hat ihr eine Sache be- sonders geholfen: Vor einiger Zeit schon hatten Maria W. und ihr Bruder genau festgelegt, was mit ihrem Erbe passieren soll. Gemeinsam entschied das Geschwisterpaar, das Münchner Hilfswerk missio in ihren Testamenten zu bedenken. „Wir haben uns gut in- formiert und die se Entscheidung nie bereut“, sagt Maria W.. „Es ist eine große Erleichterung, wenn man alles geordnet hat.“ setzt ihr Erbe für den guten Zweck ein paar Mal hat sie es geschafft, den Gefangenen Wasser zu ge- ben – dann kamen die Wachen mit Hunden und haben sie ver- scheucht. „Nicht einmal das Wasser aus dem Bach durften wir den Menschen reichen“, sagt sie noch heute fassungslos. Sie erinnert sich, wie einer der KZ-Gefangenen zusammen- brach und auf einen Wagen mit anderen leblosen Körpern ge- hievt wurde. „So etwas vergisst man nicht“, sagt Maria W.. „Wer nichts gibt, bekommt auch nichts“ – das hat die Mutter ihr und ihren vier Geschwistern immer wieder eingeprägt. Diese Worte haben Maria W. ihr Leben lang begleitet. Als es nach dem Krieg keine Lehrstelle für sie gab, saß sie nicht tatenlos he - rum, sondern bildete sich selbst- ständig weiter. In Klosterküchen ließ sie sich das Kochen zeigen. Mit einer Handarbeitslehrerin brachte sie sich das Sticken und Teppichknüpfen bei. Wahre Kunstwerke sind so entstanden, „ALLES ZU ORDNEN IST EINE ERLEICHTERUNG“N Der Gedanke, dass sie über den eigenen Tod hinaus noch etwas Gutes tut, beruhigt sie. Menschen in Not zu helfen, ist ihr wichtig. Geld für Luxus zu verschwenden kann sie nicht nachvollziehen. Maria W. kam kurz nach Hitlers Machtübernahme auf die Welt. Der Krieg und das Elend haben sie geprägt. Als zwölfjäh- riges Mädchen wird sie von ihrer Mutter zu arbeitenden KZ- Häftlingen geschickt, um ihnen Wasser durch einen Stachel- zaun zu reichen. „Erwachsene konnten da nicht hingehen. Uns Kindern durften die Aufseher nichts tun“, sagt Maria W.. Ein 24 | missio 6/2017 die noch heute ihr Haus in der Oberpfalz zieren. Heute widmet Maria W. sich vor allem ihrem Garten. An mehreren Sträuchern wachsen dort riesige Tomaten. Es gibt grüne Bohnen, gelbe Zucchini und jede Menge Kräuter. Mit den Himbeeren hat sie eben erst einen Kuchen gebacken. Noch vor dem Herbst will sie all ihr Gemüse und ihre Früchte ernten, ver- arbeiten oder einfrieren. „Wenn ich im Winter dann krank bin, habe ich genug zu essen und muss nicht vor die Türe“, sagt sie. Maria W. ist zufrieden, wenn sie morgens gut aus dem Bett kommt und ihre Sachen erledigen kann. „Ich sage immer: So- lange der liebe Gott mir meinen Verstand noch lässt, ist alles gut.“ Trotz des Verlustes ihres Bruders ist sie fröhlich geblie- ben. „Deinen Humor darfst du nicht verlieren“ – hat er vor sei- nem Tod zu ihr gesagt. Und: „Du kommst schon durch“. „Und das tue ich auch“, sagt Maria W.. „Bis wir uns hoffentlich einmal wieder sehen.“ A t a v i r p , h t r e f y e S i f f e t S : s o t o F