Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

mm_ebooks_06_2017

STICHWORT HOFFNUNG IN DER HÖLLE In den Trümmern von 29. September 2015 Die letzten Tage waren hart. Direkt hinter unserer Franziskuskirche ist eine Rakete eingeschlagen, im Viertel Azizieh, einer Gegend, die dicht besiedelt ist. Es war Nachmittag, und die Menschen ruhten sich gerade aus oder gingen im Viertel spazieren. Am Tag danach habe ich mir die Häuser angesehen, die bei der Explo- sion beschädigt wurden: Es war ein ein- ziges Trümmerfeld. Zum Glück hat sich der Schaden hauptsächlich auf die Wohn- häuser beschränkt. Es wurden zwar Men- schen verletzt, aber niemand schwer. Ich konnte sehen, wie groß der Schmerz und die Trauer der Betroffenen war, wie viel Angst und Verzweiflung sie empfanden. In den beschädigten Häusern habe ich mit den Familien gebetet; und – wieder zurück im Kloster – sofort begonnen, Zu- schüsse für die Reparaturen zu verteilen. Kurz darauf wurde ich darüber infor- miert, dass auch andere Gebiete Aleppos bombardiert worden waren – dieses Mal schwer –, und es dauerte nicht lange, bis sich die ersten verzweifelten Familien einfanden und uns um Hilfe baten. Ein Familienvater erzählte mir, er habe sein Haus nach den Bombardierungen schon zweimal repariert, und jetzt, nach dem dritten Mal, wüsste er wirklich nicht mehr, wo er anfangen soll. Er ist inzwi- schen mit seiner Frau und seinen Kindern in die winzige Wohnung seiner Schwie- gereltern gezogen. Die Häuser vieler Familien sind voll- kommen zerstört, können nicht mehr in- stand gesetzt werden. Ihre Viertel stehen unablässig unter Beschuss, und es ist äu- ßerst gefährlich, dorthin zurückzugehen. Die Bombardierungen hören auch in der Nacht nicht auf. Das Leid der Bevölke- rung ist kaum fassbar. Viele Menschen finden nachts nicht einmal eine Stunde Schlaf, und die wenigen Glücklichen, die noch eine Arbeit haben, kommen dieser am Morgen vollkommen übermüdet nach. Als ob das alles nicht schon schlimm genug wäre, gab es gestern wieder mal kein Wasser. Jetzt müssen wir die Men- schen erneut jeden Tag mit Wasser ver- sorgen, es mit unseren Kleinlastern aus- fahren oder alten Menschen in Plastikka- nistern nach Hause bringen. Das Leben in Aleppo ist absurd, und ich frage schon lange nicht mehr nach, warum die Leute auswandern wollen, warum sie bereit sind, auf dem Weg über das Meer alles zu riskieren, sogar ihr Le- ben. Hier zu bleiben ist nach menschli- chem Ermessen der reinste Wahnsinn. Wir Ordensbrüder aber tun es, wir wol- len den Menschen hier helfen. Jetzt ist die Zeit, um präsent zu sein, sich zum Nächsten zu machen, sich der Armen und aller anzunehmen, die leiden. 22. April 2016 Das Wasser-Problem ist auch weiterhin schlimm. Viel zu viele Häuser haben auf dem Dach noch immer keine Tanks, die ein Fassungsvermögen von 500 bis 1000 Liter haben und als Wasserspeicher die- nen. Die meisten Familien hätten ja nicht einmal im Traum daran gedacht, irgend- wann einmal monatelang ohne Wasser auskommen zu müssen! Wir versuchen daher dafür zu sorgen, dass so viele Fa- milien wie möglich einen Metalltank be- kommen, der mindestens 500 Liter fasst. Keine leichte Aufgabe. (...) Tag für Tag werden wir mit den Problemen älterer Menschen konfrontiert, die allein leben und nicht mehr Treppen steigen können. Das Wasser zu holen, das sie zum Trinken brauchen, zum Kochen und für alle ande- t a v i r p , a p d : s o t o F IBRAHIM ALSABAGH: „Hier zu bleiben ist nach menschlichem Ermessen der reinste Wahnsinn.“ ZUR PERSON Der Franziskanerpater Ibrahim Alsabagh wurde in Damaskus geboren und ging für seine theologischen Studien nach Rom. Im Oktober 2014 entschloss er sich nach Syrien zurückzukehren, um den Menschen im hart umkämpften Aleppo zur Seite zu stehen. Alsabagh fing an, seine Erlebnisse und Gedanken aufzuschreiben. In seinem Buch „Hoffnung in der Hölle“ erzählt er vom Schrecken des Krieges und der Schwie rigkeit zu überleben. Aber auch von einer einmaligen Solidarität unter den Menschen und von der großen Hoffnung auf Frieden. missio unterstützt den Einsatz der Franziskaner in Aleppo. Ibrahim Alsabagh Hoffnung in der Hölle – Als Franziskaner in Aleppo. 192 Seiten, Klappenbroschur, Verlag Herder GmbH, 18 Euro, ISBN 978-3-451-37863-8 Als eBook: 16,99 Euro, ISBN 978-3-451-81169-2 8 | missio 6/2017

Seitenübersicht