IM VORDERGRUND WASSER nur fünf Prozent der Ressourcen genutzt. Lediglich fünf Prozent des afrikanischen Ackerlands werden bewässert, und weni- ger als zehn Prozent des Wasserkraftpo- tenzials fließen in die Stromerzeugung. Dabei fehlen den Regierungen meist nicht die Mittel: Es ist schlicht ein Versagen der politisch Verantwortlichen. Im von Dürre geplagten Äthiopien beispielsweise gibt es bislang kein Forschungsinstitut, das sich mit dem Thema Wasser beschäftigt. Schlechte Abwasserentsorgung macht krank 80 Prozent der Krankheiten in Afrika las- sen sich nach Schätzungen von Ärzten auf unreines Wasser und schlechte Sanitär- versorgung zurückführen. Die meisten Gewässer enthalten Krankheitserreger aus menschlichen Ausscheidungen, weshalb entsprechende Erkrankungen weit ver- breitet sind. Nur in Kenia und Südafrika verfügen laut Weltwasserbericht der Ver- einten Nationen mehr als 75 Prozent der Menschen über sanitäre Einrichtungen. Es geht auch anders: Südafrika hat eine moderne Wassergesetzgebung ge- schaffen und das Recht auf Wasser in der Verfassung verankert. Das wasserreiche Lesotho liefert dem Nachbarn Wasser und erhält im Gegenzug Energie. Ägyp- ten hat gezeigt, dass man die Kinder- sterblichkeit um 60 Prozent senken kann, wenn man die offensichtlichen Probleme im Wasserressourcen-Management ener- gisch anpackt. Auch Uganda nimmt die Probleme in Angriff. Mit Hilfe deutscher Firmen werden die Wasserverluste bei Versorgern vermindert. Die KfW finanziert ein Institut der Panafrikanischen Universität in Tlemcen, Algerien. Es bietet angewandte Forschung zu Energie, Wasser und Klimawandel an. Stipendien für Masterstudenten und Dok- toranden stehen zur Verfügung. Bereits 74 Studierende aus siebzehn afrikani- schen Ländern haben in Tlemcen ihr Stu- dium der Wasser- und Energiewirtschaft aufgenommen. Es werden allerdings immer noch er- hebliche Fehler in der Entwicklungshilfe gemacht: Die UNO hat 23 Spezialorgani- sationen, die sich mit Wasser beschäfti- gen, und musste die völlig neue Institu- tion UN-Water schaffen, nur um die Ar- beit dieser 23 Organisationen zu koordi- nieren. Jede ist teilweise verantwortlich, keine trägt volle Verantwortung. Gemein ist ihnen, dass sie viel Personal benötigen. Es müsste eine einheitliche UN Präsenz in den Ländern geben, die ein Programm mit einem Verantwortlichen und einem Haushalt haben. Anders kleine Organisationen wie Aqua pura. Schnell, effizient und kosten- günstig wird bakteriologisch reines Trink- wasser in Togo, Kamerun, Uganda, Kongo, Kenia und Madagaskar selbständig her- gestellt. Die Nichtregierungsorganisation konzentriert sich auf kleinere Kommu- nen, Krankenhäuser, Schulen und auch Waisenhäuser. Gruppen, die sie gratis mit Wasseraufbereitungsgeräten versorgt, müs sen sich vorab über die Nachhaltig- keit einer solchen Installation Gedanken machen und Verantwortliche für den Be- trieb bestimmen. Der sehr wichtige lang- fristige Kontakt mit den Menschen vor Ort ist sichergestellt. Israel hilft, Wasser zu sparen Israel hat es vorgemacht: Mit neuester Technik, intelligentem Management und jahrzehntelanger kollektiver Anstrengung ist Wassermangel hier kein Thema mehr. Das Land ist weltweit führend in der Ab- wasseraufbereitung. 93 Prozent des israe- lischen Schmutzwassers werden aufberei- tet, was den Trinkwasserverbrauch enorm reduziert. In Israel wurde die Tröpfchen- bewässerung erfunden, mit der man nicht nur bis zu 40 Prozent Wasser sparen, son- dern auch den Ernte-Ertrag steigern kann. So wurde selbst Wüstenland zu einer land- wirtschaftlichen Oase. Eine Wasserwirt- schaft nach israelischem Vorbild kann zur Beseitigung oder zumindest Zurückdrän- gung existenzieller Bedrohungen führen. Mit israelischen Know-how lernen afrikanische Staaten, weniger Wasser zu verbrauchen. Die Cote d'Ivoire, Gabun und der Senegal werden im Bereich Be- wässerung und Wassermanagement bera- ten. Senegal bezieht 80 Prozent seines Nahrungsbedarfs aus Importen, weil die traditionelle Landwirtschaft nur auf eine Ernte pro Jahr kommt. Mit israelischer Technologie können die Bauern auf drei bis vier Ernten kommen. So hat man Pflanzen gezüchtet, die Hitze besser aus- halten, auf jeweils spezielle klimatische Bedingungen und Bodenverhältnisse ab- gestimmt und auf das Wesentliche redu- ziert sind. Es wurden Tomatensorten ent- wickelt, die weniger Blätter tragen, oder Getreidearten, die nicht mehr so hoch wachsen wie zuvor. Messgeräte kontrol- lieren die Bodenfeuchtigkeit. Der Wasser- zufluss wird gesteuert, die Erträge steigen – vor allem bei Reis, aber auch im Obst- und Gemüseanbau. Ein weiteres Förde- rungsziel ist die Verbesserung der Ge- sundheitssituation. Fließendes Trinkwas- ser entlastet zudem Frauen und Kinder, die bislang für das Herbeischaffen des Wassers verantwortlich sind. Durch die rasant steigenden Bevölke- rungszahlen benötigen afrikanische Län- der immer mehr Wasser. Die Grundwas- serspiegel sinken, Flüsse trocknen aus, das Vieh verhungert und die Ernten ver- dorren. Hungerkatastrophen sind ebenso an der Tagesordnung wie politische Kon- flikte um Wasser. Afrikaner müssen in Zukunft mit weniger Wasser mehr leisten: die Ressourcen besser ausschöpfen. Aber noch gibt es viele Entscheidungsträger, die Handeln simulieren und das karge Le- ben ihrer Mitmenschen gar nicht kennen, das von Erniedrigung, Entbehrung und harter Arbeit gekennzeichnet ist. Eliten handeln eher im Eigeninteresse, statt das Gemeinwohl zu fördern. Das Geld aus Rohstoffen fließt nicht in die Strom- und Wasserversorgung, nicht in die Landwirt- schaft, nicht in gute Stra- ßen und saubere Städte, sondern in Waffen. A Volker Seitz war von 1965 bis 2008 für das deutsche Auswärtige Amt in Afrika tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äqua - torialguinea mit Sitz in Jaunde. Er ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“. missio 1/2018 | 29