Das Nachbarland Uganda hat ebenfalls viele Krisen hinter sich. Wie war es dort? Uganda hat sich wahrscheinlich am stärks- ten von allen Ländern verändert, die ich bearbeitet habe. 1986 war gerade die Re- gierungsübernahme von Museveni, nach dem Bürgerkrieg. Als ich das erste Mal in der Hauptstadt Kampala war, sah man überall noch Einschusslöcher, zum Bei- spiel am Krankenhaus von Lubaga, das von einer deutschen Ärztin geführt wur - de. Es wurde sehr oft darüber gesprochen, dass viele Leute verschwunden sind – jede Familie hatte Verluste zu beklagen. Was erlebten Sie vor Ort? Wir konnten im Norden zwischen Gulu und Arua nur mit Eskorte fahren. Aus dem Norden waren zunächst die Men- schen vor Idi Amin in den Kongo geflo- hen und ka men Ende der 80er Jahre ge- rade wieder zu rück. Gleichzeitig lebten hier schon viele Flüchtlinge aus dem Su- dan. Kurz drauf begannen die Rebellen der „Lord’s Resistance Army“ zu wüten. Da konnte ich zum Beispiel die Missions- station Kitgum nur per Flugzeug errei- chen. Ich war sehr überrascht über die vielen Binnenflüchtlingslager, in denen die Menschen zusammengepfercht waren und wirklich unter schlimmen Umstän- den leben mussten. Welche Rolle spielte die katholische Kir- che in dieser Zeit? Der Erzbischof von Gulu, John Baptist Odama, war beteiligt an den Friedensver- handlungen. Er hatte den LRA-Führer Jo- seph Kony im Busch besucht und ver- sucht, die Verhandlungen weiterzubrin- gen – bis sich die LRA tatsächlich aus Norduganda zurückgezogen hat. Wir ha- ben damals auch erlebt, dass ehemalige Kindersoldaten über ein Radioprogramm, Radio Wa, ermutigt wurden, zurückzu- kommen. Ich erinnere mich auch an die „night commuters“ – die vielen Kinder und Jugendlichen, die Schutz suchten auf den Missionsstationen oder beim Bischof selber, aus Angst vor Entführungen. Ich weiß noch, wie der Bischof sich mit ihnen solidarisiert hat und in der Nacht mit ih- nen im Freien übernachtet hat. Waren Ihre Reisen in die Krisengebiete eigentlich gefährlich? „ICH HOFFE DOCH, DASS NICHT ALLES UMSONST WAR –N AUCH WENN VIELE HOFFNUNGEN ZERSTÖRT WURDEN.“.. In Juba im Südsudan hörten wir oft Schüsse. Wir wussten nicht genau von wo sie kamen. Eine andere brenzlige Si- tuation war in Harare in Simbabwe, als die Regierung Mugabe die Weißen ver- folgte. Da gab es auch viele Schüsse in der Nacht. In Äthiopien, 2005, wurden gerade alle einheimischen Journalisten verfolgt. Das Reisen war eigentlich un- tersagt. Aber ein Partner hat mir dann doch geraten zu kommen. Es war den Partnern natürlich unglaublich wichtig, dass man sich mit ihnen solidarisiert und sie besucht in schwieriger Lage. Auch Eri- trea war eine besondere Erfahrung. Kurz nach dem Grenzkrieg mit Äthiopien war es noch möglich, in die umstrittenen Ge- biete zu fahren. Bei meinen weiteren Rei- sen ging das nicht mehr. Welchen Eindruck haben Sie von Eritrea, dem „Nordkorea Afrikas“? Wie sehr man überwacht wird, kann man schlecht feststellen. Man muss sich an die Vorschriften halten und kann sich doch einigermaßen bewegen. Es ist eigentlich sehr sicher, es gibt kaum Überfälle, keine Luftverschmutzung und man befindet sich unter herzlichen, wunderbaren Men- schen. Aber die Gastgeber müssen sehr vorsichtig sein. Ich bin sicher, dass sie sehr stark beobachtet werden. Die Ver- hältnisse bessern sich nicht. Man sieht keine Hoffnung auf Besserung. Blicken wir noch nach Kenia, das beson- ders auch leidet an islamistischem Terror. Das hat sich sehr zugespitzt, seit die ke- nianische Armee in Somalia mitoperiert. Da kamen diese vielen Racheakte der „Al Shabab“. Früher konnte man sich frei be- wegen, Kenia war das fortschrittlichste Land in Ostafrika. Auf den letzten Reisen ist es sehr schwierig geworden – überall wird man kontrolliert, selbst wenn man in Kirchen hineingeht. Unsere Partner müssen Schutzmauern aufbauen. Ich war in der Pfarrei Hola zwischen Malindi und Garissa, da gab es sehr viele Konflikte zwischen den Ethnien, die teilweise von der Al Shabab beeinflusst und instru- mentalisiert werden. Das spürt man in den Gebieten, die an Somalia grenzen, sehr stark. Wären Sie gerne einmal bis nach Soma- lia gereist? Ich wäre schon sehr neugierig gewesen. Es war leider nicht möglich. Wir wissen ja, dass sehr viele Flüchtlinge aus Somalia in Kenia sind. Die Ursachen dafür zu erfah- ren, warum sie wirklich gehen müssen, das hätte mich schon interessiert. Werden Sie Afrika weiterhin verbunden bleiben? Ja, auf jeden Fall, wenn auch nicht mehr bei missio. Das Feuer geht ja nicht aus, wenn man im Ruhestand ist. Ich habe so viele wunderbare Erfahrungen gemacht, die mir ein Leben lang erhalten bleiben. 30 Jahre – das ist immerhin ein Sechstel des Bestehens von missio! A MISSIO WIRD 180 JAHRE ALT Das Internationale Katholische Hilfswerk missio Mün- chen wurde im Jahr 1838 als „Ludwig Missionsverein“ gegründet. Federführend war dabei der bayrische König Ludwig I., der die Sammlung und den Transfer von Geldern für katholische Missionare genehmigte. Zunächst ging die Hilfe an deutsche Auswandererge- meinden in Nordamerika, und bald schon in die Konti- nente Afrika und Asien. 1972 erhielt der Ludwig Missionsverein den Namen missio und bildet heute zusammen mit missio Aachen den deutschen Zweig der Päpstlichen Missionswerke mit Sitz im Vatikan. Im Jahr 2016 unterstützte missio München mehr als 1000 Projekte in fast 60 Ländern. Partner sind Bi- schöfe, Priester, Ordensleute sowie Privatper sonen im Dienst der katholischen Kirche. Sie setzen sich dafür ein, vor Ort das Leben der Menschen zu verbessern. Mehr: www.missio.com missio 1/2018 | 9