10 | missio 2/2017 FACETTEN INTERNATIONAL Partner, dem Präsidenten Salva Kiir von der Volksgruppe der Dinka und seinem ehemaligen Vize Riek Machar von der Volksgruppe der Nuer, eskalierte. Seit- dem liefern sich die beiden ethnischen Gruppen blutige Kämpfe. Hunderttausende Menschen leben heute in Flüchtlingscamps im Südsudan selbst und in den angrenzenden Ländern, die Zahl nimmt rapide zu. „Die Lage in den Camps ist eine Katastrophe, es geht fürchterlich zu“, erzählt der Comboni- Missionar. „Menschen leben auf engstem Raum, haben kaum zu essen und zu trin- ken. Die Toiletten sind in beschämendem Zustand, bei Regen steht das Wasser in den Zelten, immer wieder verhungern Menschen.“ Doch nicht nur in den Flüchtlingsla- gern leben die Männer, Frauen und Kinder unter erbärmlich- sten Umständen. Auch in den Städten und Dörfern des Lan- des ist die Lage katastrophal. Menschen werden auf der Straße laut Bruder Bernhard von Soldaten „einfach so aus Spaß“ misshandelt. „Und es gibt nichts, was sich dagegen tun ließe. Die Angst vor den Soldaten ist viel zu groß, als dass auch nur einer einen Ton sagen würde.“ Wie es weitergeht im Süd- sudan? Bruder Bernhard ist ratlos. „Eine Pauschallösung des Konfliktes gibt es nicht“, sagt er resigniert. „Wir versu- chen, mit den Menschen so weit wie möglich ‚Alltag’ zu le- ben. Das gibt ihnen Halt.“ Auf keinen Fall will sich Hengl mürbe machen lassen von der Gewalt und der Angst. Dem Südsudan und denen, die ihm ans Herz gewachsen sind, den Rü- cken kehren, kommt für ihn nicht in Frage – obwohl er schon oft überfallen, zusammengeschlagen und ausgeraubt wurde. „Ich muss Sicherheit und Gelas- senheit ausstrahlen, ich muss Zeugnis ge- ben“, sagt er. Bruder Bernhard und sein Team ver- suchen im Südsudan, die Menschen mit Medikamenten zu versorgen und Le- bensmittel heranzuschaf- fen. „Der Hunger wird im- mer schlimmer. Grund- nahrungsmittel sind in Juba kaum noch zu bekommen, kaum noch zu bezahlen. Auch Wasser ist für viele Familien uner- schwinglich.“ Hinzu kommt die unvorstellbare Ver- rohung der Menschen. „Nach 55 Jahren Krieg im Sudan herrscht eine Spirale der Gewalt. Die Kinder kennen oft von ihren Eltern nichts anderes als Gewalt, diese haben wiederum von ihren Eltern nur Gewalt erfahren.“ Erst kürzlich hat ihn ein Verbrechen fassungslos gemacht: Sol- daten hatten zuerst zwei junge Frauen vergewaltigt, anschließend deren beiden Kleinkinder, ein- und zwei Jahre alt, an den Füßen wie Knüppel gepackt und da- mit die Mütter bewusstlos geprügelt. „Nach Generationen von Hass, Un- sicherheit und Hunger müssten mensch- liche Werte, müsste Liebe erst wieder erlernt werden“, sagt Bernhard Hengl. „Für die meisten zählt oft nur, was ihrem eigenen Leben und dem Überleben der Familie und der Ethnie dient. Viele Kin- der wachsen auf ohne jegliche Gebor- genheit. Es ist ein Leben in Not, sowohl in körperlicher wie seelischer Not.“ A ANTJE PÖHNER DAS GRAUEN IM SÜDSUDAN nimmt kein Ende. Die Menschen sind ge- zeichnet von Angst, berichtet Comboni- Bruder Bernhard Hengl. Angst vor der Willkür von Polizei und den Regierungs- soldaten. Angst vor den ständigen Über- fällen und Schießereien. Angst vor grau- samer Gewalt, vor Flucht und Hunger. Die Angst ist da, ständig und überall. Jeder vierte Südsudanese sei mittler- weile auf der Flucht, informiert Bruder Bernhard. Der Comboni-Missionar lebt und arbeitet seit knapp fünf Jahren im Südsudan – er kam im April 2012, ein Jahr nach der Unabhängigkeit, in den jüngsten Staat der Welt und arbeitet dort als Projektkoordinator der Bischofs- konferenz für Sudan und Südsudan. Die anfängliche Aufbruchstimmung im Land nahm Mitte Dezember 2013 ein jähes Ende: Der Machtkampf der einstigen Der vergessene Krieg im Südsudan Jeder gegen jeden – ein Augenzeugenbericht aus dem jüngsten Staat der Erde Fotos: dpa (2), privat „Menschen werden auf der Straße von Soldaten einfach so aus Spaß misshandelt.“ Viele Menschen haben seit Ausbruch der Unruhen weder Lebensmittel noch ausreichend Trinkwasser.