25 missio 2/2017 | BLICKWECHSEL DEUTSCHLAND An den Ufern der Flüsse von Madagaskar suchen Tausende Menschen nach Gold. Weil die Familien auf der Insel arm sind, müssen alle mithelfen – auch die Kinder. Ob es überhaupt einen „sauberen“ Goldabbau geben kann, das erforscht Mario Schmidt in Pforzheim. bau die einzige Alternative. Es ist ein Strohhalm, an den sie sich klammern.“ Wer also die Um- weltverschmutzung im Regen- wald verhindern wolle, müsse sich gleichzeitig darüber Gedan- ken machen, was aus diesen Menschen werden soll. Schmidt und sein Forschungsteam möch- ten zeigen, was hinter so einem glänzenden Stoff wie Gold noch alles stecken kann. An seinem Wohnort Pforz- heim, der Stadt in Deutschland, mit der höchsten Dichte an Gold- schmieden und Schmuckdesig- nern, setzen die Händler indes auf die wohl bisher sauberste Methode: Etwa 98 Prozent aller Anbieter arbeiten ausschließlich mit recyceltem Gold. „Kaum ein Metall wird so gut recycelt wie Gold. Das ist sehr positiv und dann überhaupt nicht vergleich- bar, als wenn das Gold aus dem Kongo oder Regenwald kommt“, sagt Schmidt. Etwa 2000 bis 3000 Tonnen Gold werden jähr- lich weltweit neu abgebaut. Das meiste davon in China, Russland, Südafrika und den USA – und zwar in industriell betriebenen Mi- nen. Die Erträge der kleinen Goldgräber aus Afrika, Südostasien und Südamerika sind damit verglichen eher gering. Jedoch leben davon weltweit schätzungsweise 20 Millionen Menschen. „Un- ser Bild von den verwegenen Glücksrittern, die einen sagenhaf- ten Goldfund ma- chen, trifft auf diese Leute eigentlich nie zu“, sagt Schmidt. Das Geschäft mit dem Gold ist für die wenigsten ein Riesengewinn. Die Goldgräber aus dem Amazonasgebiet haben hingegen nur etwas davon, wenn die Weltmarktpreise für sie günstig liegen: „Der Erdölpreis muss niedrig sein, um die für den Abbau benö- tigten Dieselpumpen kostengünstig betreiben zu können. Der Goldpreis hoch“, sagt Schmidt. „Ansonsten leben sie am absolu- ten Existenzminimum.“ A STEFFI SEYFERTH SEIT DER ENTDECKUNG des Goldes lechzt die Mensch- heit nach dem schimmernden Me- tall. Die edelsten Schmuckstücke werden daraus gefertigt, in Han- dys wird es verbaut und immer mehr Menschen setzen darauf als sichere Wertanlage. Eine Welt ohne Gold? „Nicht mehr vorstellbar“, sagt Mario Schmidt, der an der Hochschule Pforzheim Professor für ökologi- sche Unternehmensführung ist und das Institut für Industrial Ecology leitet. „Gold weckt von allen Elementen wohl die posi- tivsten Assoziationen im Men- schen: Reichtum, Luxus, Ästhe- tik. Diese Sehnsucht wird man wohl nie beseitigen können.“ Trotzdem oder gerade deswe- gen will Schmidt die Ökobilanz der Goldgewinnung untersuchen und der Frage nachgehen, ob Gold überhaupt umwelt- und so- zialverträglich abgebaut werden kann. Immer mehr Schmuckde- signer bieten inzwischen Öko- oder Fair-Gold an. Nicht zuletzt, weil der Konsument danach ver- langt. Doch wie verlässlich sind solche Versprechen? „Gold ist ein sehr schönes Beispiel dafür, wie schwierig das Thema Nach- haltigkeit ist“, sagt Schmidt. „Dieser Dreiklang aus Ökologie, Wirtschaft und Sozialem hört sich zwar immer toll an, aber die wenigsten bedenken dabei, dass hier Zielkonflikte enorm auf- einandertreffen.“ Wie schwierig das Thema ist, wurde Schmidt besonders klar, als er 2013 nach Brasilien reiste, um für seine Forschung die klei- nen Goldgräberstätten der einfachen Leute im Amazonasgebiet zu begutachten. „Ich komme aus dem Umweltbereich – da habe ich natürlich vor allem auf die ökologische Wirkung des Gold- abbaus geachtet, der durch das verwendete Quecksilber und die Zyanide natürlich massiv die Umwelt verschmutzt“, sagt Schmidt. „Vor Ort habe ich dann aber auch noch ein ganz ande- res Bild bekommen: Für viele Menschen ist der illegale Goldab- GOLD WECKT SCHON IMMER SEHNSÜCHTE Mario Schmidt (56) untersucht die Ökobilanz von Gold