12 | missio 2/2017 NACHGEFRAGT BEI ... Togo war von 1884 bis 1916 deutsche Kolonie. Ausbeutung und Zwangsarbeit waren an der Tagesordnung, sagt die Göttinger Professorin Rebekka Habermas. Wie soll man mit diesem Erbe umgehen? Und müsste Deutschland Entschädi- gungen für koloniales Unrecht bezahlen? INTERVIEW: CHRISTIAN SELBHERR Rebekka Habermas, Historikerin „Die Missionare sahen sich als Sprachrohr der Afrikaner.“ Frau Professor, Deutschland hatte nur wenige Kolonien, und deshalb besteht die Meinung, dass relativ wenig Schaden angerichtet wurde. Ihre For- schung sagt etwas anderes. Selbst wenn der deutsche Kolonialismus nur in vier oder fünf Regionen Afrikas und teilweise in Papua-Neuguinea stattgefun- den hat, stellte er doch eine Form von Herrschaft dar, die strukturell mit einer Gewalthaftigkeit einhergeht, die aus der heutigen Perspektive erschreckend ist. Ich glaube, dass sich Deutschland da nicht un- terscheidet von Frankreich oder England. Ein Beispiel haben Sie jetzt erforscht. Ein örtlicher Chief in Togo beklagte sich über die Ausbeutung seiner Landsleute. Genau, es ist üblich gewesen, dass die Be- völkerung in den afrikanischen Kolonien Zwangsarbeit leisten musste. Dieser Chief verwehrt sich dagegen. Er kommt ins Ge- fängnis und stirbt unter ungeklärten Um- ständen. Das ist der Beginn des Skandals. Der eigentliche Aufruhr entstand aber erst, weil ein deutscher Beamter eine junge Kautschukhändlerin missbrauchte. Als das vier Jahre später im Reichstag öf- fentlich gemacht wurde, wird das so dar- gestellt, als hätte ausnahmsweise ein Ko- lonialbeamter über die Stränge geschla- gen. Und ausnahmsweise hätte dieser Be- amte eine Afrikanerin sexuell missbraucht. Das hat mit dem, was faktisch in Togo pas- sierte, wenig zu tun. Gewalt und Miss- brauch waren der Alltag. Warum wurde dieser Vorfall öffentlich? Wie das bei fast allen Kolonialstationen der Fall war, ist unweit davon auch die Mission tätig gewesen. Die Steyler Missio- nare haben diese gewalthafte Politik des Beamten Geo Schmidt und vor allem den sexuellen Missbrauch von Afrikanerinnen angeprangert und Berlin informiert. Foto: S. Fischer-Verlag