„Spiel des Lebens“ hieß die Reportage aus dem missio magazin 3/2012. Sie handelte von Jugend- lichen im indischen Bangalore, die aus schwierigen Verhältnissen stammen. Viele von ihnen gerieten mit dem Gesetz in Konflikt und kamen ins Gefängnis. Einer von ihnen war der junge Madesh - was ist aus ihm geworden? 50 | missio 2/2017 Fotos: privat WIEDERSEHEN BEI ECHO IN BANGALORE ANZUG UND KRAWATTE sind die Symbole für sein neues Leben. Madesh hat es geschafft: Er hat seinen Universi- tätsabschluss bestanden. Dabei saß er vor wenigen Jahren noch im Jugendarrest, und sein Weg schien vorgezeichnet: Zu Hause bestimmte der Alkohol das Leben, für die Kinder gab es Schläge. Also zog Madesh mit Gleichaltrigen durch die Straßen von Bangalore. Mit 13 wurde er schließlich beim Steh- len erwischt und zu sechs Monaten Arrest verurteilt. In Indien lautet die Meinung oft: „Wer ein Verbrechen begeht, ist selber Schuld und hat auch kein Recht auf Hilfe.“ Pater Antony Sebastion von der Jugendhilfeeinrichtung ECHO findet, dass jeder eine zweite Chance verdient: „Wenn der Staat und die Gesellschaft versagen, können wir doch nicht die Kinder dafür verantwortlich machen.“ Er nahm Ma- desh bei ECHO auf. Dort erhalten Jugendliche aus problema- tischen Verhältnissen Hilfe, zum Beispiel mit Schulunterricht oder einer Berufsausbildung. Manche kehren dabei sogar wieder zurück auf die Straße. Aber von nun an stehen sie auf der anderen Seite des Geset- zes. In Kooperation mit den örtlichen Polizeibehörden wer- den junge Männer zu Hilfspolizisten ausgebildet und regeln zum Beispiel den Straßenverkehr. Anfangs seien die Behörden misstrauisch gewesen, erinnert sich P. Antony Sebastion: „Was ist, wenn ein Unfall geschieht - wer- den die Jungen dann das Unfallauto ausrauben, oder werden sie sich um die Verletzten kümmern?“ Seit 2003 läuft das Programm nun schon, in- zwischen sind alle Beteiligten zufrie- den. „Kein einziger unserer Schütz- linge ist wieder zum Straftäter ge- worden,“ betont P. Antony Sebastion. Gerade noch rechtzeitig Die Arbeit von ECHO bekommt immer mehr Aufmerksamkeit – sogar auf der Kinoleinwand. Im vergangenen Jahr entstand der Film „Care of Footpath 2“. Er erzählt von jugendlichen Kri- minellen, die auf den rechten Weg zurückfinden. Einige reale Geschichten von ECHO-Schützlingen dienten als Vorbild - und Pater Antony spielte in einer kleinen Nebenrolle mit. Der Film ging als indischer Kandidat ins Rennen um eine Oscar- Nominierung. Ganz so weit hat es Madesh zwar noch nicht geschafft. Aber dass er seine kriminelle Vergangenheit hinter sich lassen konnte, ist ein großer Erfolg. Mit seinem Uni-Zeugnis fand er schnell Arbeit, er ist jetzt Anfang 20 und arbeitet bei einer Marketingfirma in Bangalore, dem Hightech-Zentrum Indiens. „Er wird ein würdevolles, anständiges Leben führen,“ sagt P. Antony Sebastion. Weil sich rechtzeitig jemand um ihn küm- merte. Madesh sagt: „Wenn mich die Polizei damals nicht er- wischt hätte, wäre ein Schwerverbrecher oder sogar ein Killer aus mir geworden.“ A CHRISTIAN SELBHERR Die zweite Chance genutzt P. Antony Sebastion